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„Ich bin ans andere Ende der Welt gereist, um mich selbst zu finden. Jetzt hört mir zu, das ist meine Story.“
Calif Wilson sitzt mit überschlagenen Beinen auf einem Regiestuhl. Er trägt ein hautenges blaues Shirt, unter dem sich sein Körper abzeichnet, der sehnig, aber kräftig ist. Sein Schädel ist frisch geschoren, den Bart hält er kurz und gepflegt.
„Im Wrestling gilt Japan manchen als das Land, in dem Milch und Honig fließen. Sie müssen nur den Namen hören und kriegen vor Staunen das Maul nicht mehr zu. Sie glauben jedes Match ist besser, jeder Kämpfer ehrenvoller, jede Liga traditionell und jeder Fan voller Respekt.“
Aussagen wie diese haben das Potenzial, mit Spott in der Stimme vorgetragen zu werden: Wilson jedoch zählt die Klischees im vorurteilfreien Tonfall eines Erzählers auf. Sie sind nur Plotpunkte seiner Geschichte, nicht die Pointe.
„Ich sag euch was: Wenn du ein Niemand bist, kann es auch verdammt hart sein. Ich wurde als eine Art…Verlegenheitslösung letztes Jahr für eine Tour gebookt. Kein Mensch kannte mich und ich hatte keine Alternativen, deswegen war ich günstig. Ich war für die Promoter nur eine Nummer. Keiner hat mich vom Flughafen abgeholt, sich um meine Hotels gekümmert oder darum, ob ich überhaupt die Verträge lesen kann, die sie mich unterschreiben lassen. Einen Vorschuss gibt es nicht: Das Geld kriegst du nach deinen Kämpfen auf die blutige Hand und wie du bis dahin über die Runden kommst, hat niemanden interessiert. Ein paar Wochen habe ich mich von abgepackten Waffeln und Tütensuppe ernährt, weil anderer Kram nicht in mein Budget gepasst hat.“
Das Gesicht wird ausgeblendet und wir blicken auf Szenen einer nicht näher benannten japanischen Großstadt zur Abendzeit. Hochhäuser wachsen hoch in die Luft, Menschen drängeln sich auf den Straßen und hektische Schlangen bilden sich vor Supermärkten. Unter dem Mond spielt sich unruhiges Leben ab. Hier kann man in der Masse leicht verloren gehen und einsam sein.
„Und wenn sie sich dich mal brauchen, dich endlich anrufen, damit du zur Halle kommst, dann stellt man dich als Nobody nicht in den sagenumwobenen Tokyo Dome. Du trittst stattdessen an einem ranzigen Ort an, wo dich die Platzhirsche nicht mal in die Umkleide lassen wollen. Und wenn doch, dann nur, damit sie dich ribben können. Manchmal wollten Promoter, dass ich bei irgendeiner richtig kranken Idee mitmache und wenn ich ablehnte, war ich für sie gestorben. Sie ignorierten mich einfach.“
Wilsons Gesicht ist wieder zu sehen. Die Erinnerungen an schlechte Zeiten quittiert er mit neutraler Miene. Da ist keine Sympathie, aber auch kein Groll mehr in seinem Ausdruck.
„ich habs überlebt. Mehr noch: Ich habe es erobert. Mein Ärger darüber, nur ein Niemand zu sein, hat mich Limits überwinden lassen, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gibt. In jedem beschissenen Kampf habe ich 110% gegeben und dafür gesorgt, dass man mich nicht mehr übersieht.“
Ein schneller Schnitt: Jetzt sieht man Wilson im Ring. Er liefert sich mit wechselnden Gegenspielern packende Schlagabtausche, mehrmals wird sein Name als der des Siegers ausgerufen. Auffällig ist seine explosive Athletik, ansatzlos kann Wilson in den Kämpfen Gegner überspringen oder aufs Top Rope gelangen. Balance ist für ihn mehr Normalzustand als Herausforderung.
„Am Ende wollte man mich wirklich in den Tokyo Dome holen.“
Zurück im Aufnahmestudio: Er hebt eine Plakette in der Luft. Unter einer bronzenen Medaille ist dort zu lesen: „Bestes Independent Match International 2022 – Platz 3“. Er legt die Auszeichnung weg und holt eine andere, ähnliche aussehende vor; diese ist silbern und zeichnet Wilson als einen der Aufsteiger der internationalen Szene im Jahr 2022 aus.
„Ich habe aber das Gefühl, dort fertig zu sein. Ich habe bewiesen, was ich beweisen wollte. Jetzt kommt eine neue Herausforderung. Jetzt kommt Golden Turnbuckle Championship Wrestling!“
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