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„Dragos Stoica gegen Güldenherz. Mit dieser Paarung hat es das Office auf die Spitze getrieben, möglichst gegensätzliche Wrestler gegeneinander in den Ring zu stellen.“
Diese Aussage aus dem Mund Vivien Tolnais ist weniger ein Vorwurf als ein Lob. Mit der gleichen Begeisterung, die sie schon bei den ersten Spotlights an den Tag gelegt hat, eröffnet sie ihre Ausführungen. Die Ungarin steht in den grauen Gängen des Performance Centers. Beschriftete Türen im Hintergrund legen nahe, dass hier die Offiziellen ihre Büros haben.
„Diese Begegnung könnte unter einem Dutzend Überschriften laufen. Einer der Neuesten gegen einen der Erfahrensten. Pomp gegen Härte. Aber mir gefällt am besten: Träumer gegen kalte Realität.“
Sie senkt ihre Stimme, faltet die Hände vor dem Körper und lässt die von ihr entworfene Überschrift einen Moment wirken.
„Güldenherz ist uns in den letzten Wochen ans Herz gewachsen. Am Anfang braucht man einen Moment, um mit ihm warmzuwerden. Seine Art ist schwer greifbar. Aber Tag für Tag merkt man, dass seine Namenswahl keineswegs aus dem Nichts kommt. Er ist ein Typ mit einem großen Herz. Hinter seiner Exzentrik verbirgt sich ein liebenswerter Kauz.“
Langsam setzt sich Tolnai in Bewegung, die Kamera folgt ihr durch die selten besehenen Backstagebereiche des Performance Centers.
„Er verkörpert den Showaspekt des Wrestlings. Er liebt die Inszenierung und spielt mit den Möglichkeiten, die das Business bietet. Wegen Leuten wie ihm kann man als Zuschauer nach einer harten Arbeitswoche in die Halle kommen und ist für zwei Stunden in einer anderen Welt. Larger than Life.“
Mit den letzten Worten kippt die Stimmlage Tolnais ins Nachdenkliche. Ohne es auszusprechen, klebt ein „Aber“ an ihrem letzten Satz.
„Gegen Dragos Stoica zu kämpfen ist wie in einen Hundezwinger zu treten.“
Und nun ist im Gesicht Tolnais ernste Sorge zu sehen. Mit ihrem besorgten Blick und dem vielsagenden Schweigen fadet die Szene aus.
„Wenn es schlecht läuft, kannst du nur überlegen, welches Körperteil du opferst, um nicht ganz zerfleischt zu werden. Ich hoffe wirklich, dass Güldenherz weiß, worauf er sich einlässt.“
::: Cut :::
„Die Landung ist geglückt.“
Es könnte das Voiceover eines Hörbuch-Erzählers sein, das diese Feststellung in euphorischer Form darbietet. Doch die Aussage stammt von Güldenherz selbst. Vom jungen Mann ist nur der blonde Schopf hinter einer halb geöffneten Tür zu erkennen. Ob er mit sich selbst oder den Zuschauern spricht, lässt sich aus dieser Position kaum ableiten.
„In einer ganzen Milchstraße voller Möglichkeiten hat Güldenherz den Planeten Golden Turnbuckle Championship Wrestling angesteuert.“
Die Tür schwingt auf, dahinter steht unzweifelhaft der Youngster, doch mit dem Rücken zur Kamera. Seine Beine stecken in einer silbernen Badehose und Stiefeln, die Licht glitzern. Sein Oberkörper ist unbekleidet. Er beugt sich nach vorne, wo eine Truhe steht, und beginnt ohne jede Hast, darin zu kramen. Währenddessen fährt er mit seiner Erzählung fort.
„Blickt nicht mehr zum Gestirn empor, Erdenbürger: Der Lord des Lichts ist jetzt unter euch. Die Sternenkonstellationen stehen günstig für Güldenherz. Werdet bei Proof of Concept gewahr, wie er Dragos Stoica zurück ins Dunkle treibt.“
Offenbar ist Güldenherz fündig geworden. Er zieht einem Gegenstand aus der Truhe und lässt im nächsten Augenblick mit lautem Klappern den Truhendeckel zuschnappen.
„Güldenherz ist bereit für Golden Turnbuckle Championship Wrestling.“
Schwungvoll wendet sich Güldenherz in Richtung der Kamera. In seinen Händen trägt er einen Umhang in schriller Ausführung und farbgleich zu seiner Hose. Der junge Mann nimmt eine stolze Pose ein.
„Die Frage lautet eher: Ist Golden Turnbuckle Championship Wrestling bereit für Güldenherz?“
Er wirft sich den Umhang um die Schultern und schließt ihn mit einem Clip an seinem Hals. Die Kamera zoomt langsam zurück und bildet den Modellathleten in seiner gesamten Pracht ab. Dann wird das Bild schwarz.
::: Cut :::
„Ich versuche es schon seit Minuten, doch Dragos Stoica ist nicht zu einem Statement bereit.“
Raphael Hoffmann klingt konsterniert. Der junge Interviewer ist in all seiner Unerfahrenheit Situationen wie diese nicht gewohnt. Mit einem unsicheren Grinsen versucht er zu überspielen, dass dieses Segment nicht so läuft wie erhofft.
Hoffmann steht, das Mikrofon in der Hand, im Trainingsbereich des Performance Centers. Die gesamte Fläche mit den Hantelbänken und Kraftmaschinen ist menschenleer. Mit einer Ausnahme: Da steht mehrere Meter von Hoffmann entfernt ein Mann und prügelt ohne jegliche Gesichtsregung auf einen Boxsack ein. Er trägt knielange verwaschene Shorts und weiße Ringstiefel ohne Kickpads oder Knieschoner. Sein Oberkörper steckt in einem ärmellosen Hoodie, die Kapuze bedeckt einen fast kahlen Kopf.
Ein Blick zur Kamera genügt, dass sich eiskalte blaue Augen ins Gedächtnis des Zuschauers einbrennen: Der Mann ist Dragos Stoica. Kleingewachsen, aber bullig gebaut. Immer und immer wieder malträtiert er den Boxsack. Seine Schläge geben der trostlosen Szene einen dumpfen Takt. Jeder inklusive Hoffmann scheint mehrere Meter Sicherheitsabstand einzuhalten.
„Ich könnte es noch einmal versuchen, doch…“
Ein Blick des Rumänen genügt und der Interviewer verstummt. Spätestens jetzt sieht Raphael Hoffmann zum Rückzug bereit aus. Er mag unerfahren sein, aber besitzt genügend Menschenkenntnis, um dummen Situationen aus dem Weg zu gehen. Der Kameramann jedoch ist noch nicht bereit, diese Szene aufzugeben. Er zoomt an Stoica heran. Ein neues Detail wird offensichtlich: Der Rumäne trägt bei seinen Schlägen keine Handschuhe. Die Knöchel sind bereits blutig geschlagen und hinterlassen bei jedem neuen Auftreffen Schlieren am Boxsack.
„Okay, Cut. Wir haben genügend Material.“
Plötzlich wird es still. Stoica hat seine Übung beendet. Noch in der Haltung eines Boxers wendet er seinen Kopf in Richtung Raphael Hoffmann. Er wirkt bei jeder Handlung derart unmenschlich kalt, dass ihm Facettenaugen gut stünden. Dann senkt er die blutigen Fäuste und geht auf Hoffmann zu. Vor dem Interviewer, der ihn ein Stück überragt, bleibt der bullige Rumäne stehen. Dann hebt er seine Fäuste, blickt Hoffmann an und beginnt, sie am Shirt des Interviewers sauber zu wischen. Es verstreichen fünf, zehn, fünfzehn Sekunden, in denen Stoica ohne Blinzeln direkt in die Augen Hoffmanns starrt. Letztlich blickt er auf seine Hände und scheint zufrieden.
„Das ist mein Statement.“
Er klopft dem Interviewer auf die Schulter. Dann hallen seine Schritte durch das Performance Center und das Bild wird schwarz.
::: Fade-Out :::
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