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„Worte sind mein Beruf, aber manchmal fällt es mir trotzdem schwer, die richtigen zu finden.“
Ein ehrliches Statement aus dem Mund von Vivien Tolnai. Die Ungarin steht am Eingang zum Performance Center. Es ist bereits eine Absperrung angebracht, durch die die Fans bei Proof of Concept treten werden, wenn sie im Besitz eines gültigen Tickets sind.
„Im Falle von den D.e.p.p.e.n gegen Forever Zicksdeen bin ich in einer solchen Situation. Zumindest die Erstgenannten sind…besondere Charaktere, wenn wir es so ausdrücken wollen.“
Als offizielle Interviewerin von Golden Turnbuckle Championship Wrestling muss Tolnai natürlich die Kunst des diplomatischen Ausdrucks kennen und anwenden. Weniger charmant formuliert ließe sich das Team aus Anthony „Flamingo Boy“ Monroe und Derek „The Mac“ Jones sicher auch als konsequente Fortführung der Mongo-Tradition einordnen, die seit Jahren Teil der GFCW-Formel ist.
„Vielleicht lässt man die Teams deshalb lieber selbst sprechen. Nur noch wenige Tage bleiben bis zum Aufeinandertreffen und die Vorzeichen sind, so viel sei mir zum Abschluss zu sagen vergönnt, interessant. Hier trifft ein Team, das 2018 bei Brainwashed um die GFCW Tag-Team-Titel antrat, auf ein Neulingsduo. Schauen wir mal, wie sich Robbin Zick und Terry Deen gegen zwei Athleten schlagen, die zwar etwas komisch, aber eben auch durchaus erfahren sind.“
Mit diesen Worten greift Vivien Tolnai nach dem Absperrband und öffnet es, lädt die Zuschauer symbolisch ins Performance Center ein. Dann wird das Bild schwarz.
::: Cut :::
Die Deppen tanzen. Warum tanzen sie? Weil sie die Deppen sind.
Zumindest lässt sich kein anderer naheliegender Grund ausmachen, wieso Anthony Monroe und Derek Jones entschieden haben, statt eines Statements zum anstehenden Kampf lieber Gezappel abzuliefern. Fans von ernsthaftem Wrestling, die schon 2018 aktiv waren und sich an The Mac und den Flamingo Boy noch erinnern, könnten durch die gezeigten Bilder eine Retraumatisierung erleben. Der Luxemburger Monroe und der Südkoreaner Jones werden bei ihrer Vorführung von PSYs "Gangnam Style" begleitet und zeigen eher schlecht als recht Moves des zugehörigen Musikvideos. Statt in wenig glamourösen Stadtteilen Seouls tanzen sie immerhin im Performance Center, wie entsprechende Posten an den Wänden deutlich machen. Trotzdem: Die Choreographie zum Smashhit fühlt sich wie eine Zeitreise in ein (Meme-)Land vor unserer Zeit an.
Nach ausgiebigem Getanze ist es Anthony Monroe, der sich in Richtung der Kamera dreht und dabei so tut, als hätte er sie gerade erst bemerkt. Wie ein Idiot starrt er in die Linse. Dann wendet er sich an Derek Jones, ohne dabei mit dem Tanz aufzuhören.
"Guck mal, Derek."
"Ich gucke."
"Eine Kamera"
"Ja, eine Kamera."
"Sag was. Sag was Gutes."
"Ich weiß nicht. Ich muss nachdenken."
"Dann soll Walter was sagen. Hol ihn mal."
Jones bleibt stehen. Scheinbar braucht er einen Moment, um die Anweisung zu verstehen. Dann rennt er in Cartoonmanier los und wir hören Gepolter aus dem Nebenraum. Es vergeht Sekunde um Sekunde, Monroe wird immer ungeduldiger und beginnt, auf seine imaginäre Uhr am Handgelenk zu starren. Sie ist deshalb imaginär, weil das lustig ist. Schließlich hört das Gepolter auf und Jones tritt wieder ins Bild.
„Wir haben Walter vergessen!“
„Wo ist Walter?“
„Er ist nicht mit zu GTCW gekommen. Aber sind wir überhaupt komplett ohne Walter?“
Die Antwort darauf, wie auch auf die Frage, wo denn bitte WALTER ist, schwebt wie ein Damoklesschwert über der Szene. Plötzlich haben die Deppen keine Lust mehr, zu tanzen. Selbst Psy klingt etwas trauriger. Die Musik wird leise und mit all diesen offenen Fragen fadet das Bild aus.
::: Cut :::
„Schau mal.“
Robbin Zick bugsiert etwas Unhandliches in seinen Händen und versucht, es so hinzuhalten, dass sowohl Terry Deen als auch die Kamera einen Blick drauf werfen können. Als er endlich die passende Position gefunden hat, versucht der Kameramann zu fokussieren, doch es gelingt ihm nicht. Denn was Zick da hat ist ein Plakat in DINA0-Größe. Es ist von oben bis unten mit Kugelschreiber in kleinster Schrift beschrieben ist.
„Was ist das, Robb?“
Scheinbar hat Zick nur auf diese Frage gewartet: Kaum hat Deen sie ausgesprochen, entblößt der Hannoveraner seine Zähne zu einem breiten Grinsen.
„Das ist eine Liste von Dingen, die im Jahre 2023 relevanter als die D.e.p.p.e.n sind.“
Deen zieht die Augenbrauen hoch und beugt sich vor. Zick hält ihm die Liste entgegen.
„Fidget Spinner, MP3-Player, Wheatus. Wer zur Hölle ist Wheatus?“
„Das ist völlig egal, Terry. Wir können sie einfach vergessen. Und trotzdem sind sie noch ein kleines bisschen relevanter als dieser totgelaufene Witz namens D.e.p.p.e.n. Oh, warte. Habe ich totgelaufen gesagt?“
„Hast du.“
„Ich meinte natürlich totgeboren. Monroe und Jones sind das unnötigste Comeback seit American Pie. Also lass uns sie in die Irrelevanz zurücktreiben, aus der sie gekommen sind. Denn die Zukunft dieser Liga liegt in der Jugend…“
Zick lächelt, lässt die Liste fallen und greift stattdessen in die Tasche seiner Blousonjacke, auf der seine Initialen RZ eingestickt sind. Er holt zwei Taschenkämme heraus und reicht einen an Deen.
„…und die Jugend macht einen verdammt guten Eindruck.“
Wieder lächelt er selig mit einer Spur von Arroganz, worin ihm Terry Deen in Nichts nachsteht. Das Duo beginnt, sich die Haare zu kämmen, dann fadet das Bild aus.
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