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„Im Grunde ist das gesamte Business inzestuös.“
Beksultan Pekanov serviert seinem Gesprächspartner die kontroverse Aussage ohne jede Erklärung. Dann lehnt er sich in aller Selbstherrlichkeit zurück. Ihm gegenüber bei der heutigen Podcastaufnahme sitzt einer dieser Joe-Rogan-Wannabees, für die das Mantra „Controversy creates Cash“ zum Berufsethos geworden ist. Der Podcaster läuft das Wasser zusammen beim Gedanken, den Talk mit dem Kasachen unter dem Label Shoot Interview online stellen zu können.
„Bek, das ist eine krasse Formulierung. Was meinst du damit?“
Pekanov schürzt die Lippen und lacht kehlig. In Manier des Jahrgangsbesten der toxisch männlichen Mackerschule legt er seine Füße auf das Aufnahmepult, streicht sich den Bart glatt und verschränkt grinsend die Arme hinter dem Kopf.
„Ich hab ja schon etwas Ahnung, das kannst du mir glauben. Was ich damit meine ist einfach zu verstehen. Hör mir einfach, da kannst du noch was lernen.“
Der Kasache schwingt ruckartig nach vorne und schiebt seinen Stuhl näher an den Moderator heran wie ein Vater, der seinem Sohn etwas erklären muss.
„Das gesamte Wrestling dreht sich im Kreis. Wrestler trainieren Wrestler. Die trainieren wieder andere Wrestler. Die ganzen Pisser laufen mit Scheuklappen durch die Gegend. Ihr Business ist nichts als eine Welt unter vielen. Aber sie halten es für das ganze Universum.“
„Aber du bist auch Wrestler.“
„Denk nach. Ich bin kein Wrestler. Ich bin Künstler…“
Im gleichen Ausmaß ist die Stimme Pekanovs von Stolz und unterschwelliger Empörung gezeichnet. Mit der Bezeichnung als Wrestler ist er definitiv nicht einverstanden. Schon seine Aussprache des Wortes legt nahe, welch negative Konnotation der Begriff für ihn besitzt.
„Kampfkünstler. Ich habe die Welt nach Großmeistern ihrer Kampfkunst bereist und ich habe von ihnen gelernt. Ich habe die Zutaten genommen, die Kampfsport zu bieten hat, und ihnen meinen Stempel verpasst.“
Ich. Ich. Ich. Die Formulierungen Pekanovs verdeutlichen, wo sein Fokus liegt. Jetzt stützt er seinen Arm auf der Lehne des Moderators ab, kommt diesem unangenehm nahe.
„Ich bin kein Wrestler, mein Junge. Ich bin sowas...wie ein Revolutionär. Jemand der gekommen ist, um diesen inzestuösen Kreis aufzubrechen.“
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„Du kannst diese Maske ehren, ohne dich einer Tradition zu unterwerfen.“
Black Dog sitzt in einem spärlich beleuchteten Raum. Man erkennt nur Konturen. Seine langen schwarzen Haare fallen ihm auf die Schultern und ins Gesicht. In seinen Händen hält er eine schwarze Maske in Stile des Lucha Libre.
„Manche sagen, dass Wrestling viele Gesichter hat. In Europa ist es ein Sport. In Japan ist es eine Tradition. In den USA ist es Entertainment. In meinem Land jedoch, in Mexiko, ist es Religion.“
Er richtet sich auf und zieht die Maske über den Kopf. Kaum dass sein Gesicht verhüllt ist, wird es im Raum heller. Nun erkennt man mehr als nur seine Konturen: Die Maske ist ebenso dunkel wie das Haar. Er trägt ein dunkelgraues Shirt, das über seine Muskeln spannt. Durch seine Größe von über zwei Metern wirkt er trotz aller Masse schlaksig.
„Ich bin nie gläubig gewesen. Ich weigere mich, jede Vorgabe umzusetzen, die diese Religion namens Lucha Libre mit sich bringt. Mein Credo setzt den Erfolg in den Vordergrund. Für andere aus meinem Land ist das anders. Sie wollen fliegen. Sie wollen beweisen, dass ihre Körper Menschenunmögliches leisten.“
Langsam schüttelt er mit dem Kopf. Auch wenn seine Stimme ruhig ist, steckt Bedrohlichkeit in ihr.
„Ich stelle blinder Folgsamkeit meinen eigenen Weg gegenüber. Black Dog steht für Schmerz. Wer meinen Namen hört, soll keinen Zirkus erwarten. Ich komme in diesen Ring, um zu gewinnen. Ich liebe es, wenn meine Gegner vor Pein abklopfen.“
Die Kamera zoomt heran. Sein Mund, der trotz der Maske zu erkennen ist, verzieht sich zu einem wölfischen Lächeln.
„DAS ist meine Religion.“
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„Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr am Abgrund steht und trotzdem wisst, dass euer Weg der richtige ist?“
Die nachdenklichen Worte stammen von El Hijo de Espada Letal. Der maskierte Mexikaner steht im Geviert der Performance Centers und wickelt sich langsam Tape um die Hände. Er ist in die Handlung vertieft, als wäre es ein heiliges Ritual.
„Du bist auf einer Party und weißt: Jeder starrt dich mitleidig an. Weil sie glauben, dass du einfach den Sprung nicht geschafft hast. Sie können nicht verstehen, warum du einem Traum nachläufst, obwohl es längst Zeit für das Aufwachen ist.“
Die Kamera kommt näher und näher. Durch die Schlitze seiner Maske sehen wir dunkle Augen, die die Kamera fixieren. El Hijo de Espada Letal wirkt trotz seiner selbstkritischen Aussagen würdevoll und entschlossen.
„Ich bin Wrestler. Das ist nicht mein Beruf, das ist meine Identität. Ich laufe nicht nur meinem Traum hinterher, sondern dem Traum meines Vaters. Dem Traum, den jeder zweite Junge in den Vierteln hatte, in denen ich aufwuchs.“
Er hat sein Tapewerk verbracht und ballt die Hände zu Fäusten.
„Wenn ihr glaubt, dass sich Entwicklungspotenzial einzig am Alter ablesen lässt, liegt ihr falsch. Ich weiß, dass meine Leistung jederzeit explodieren kann, wenn der richtige Zeitpunkt kommt. Dieser richtige Zeitpunkt ist jetzt. Ich habe Höhen und vor allem Tiefen erlebt. Ich weiß, wie Staub schmeckt, wenn man in ihn getreten wird. Und ich weiß, dass ich das nie mehr schmecken will.“
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